Schweizer Uhrenindustrie: Traditionelle Verkaufskanäle bleiben bevorzugt
Die neuen amerikanischen Zölle stellen die Schweizer Uhrenindustrie vor aussergewöhnliche Herausforderungen. Der traditionelle Einzelhandel bleibt der wichtigste Vertriebspfeiler – Multibrand-Geschäfte stossen auf das grösste Interesse, während die Marken parallel in eigene Boutiquen investieren. Die Generation Z treibt die Nachfrage nach Secondhand-Uhren an.

Starker Franken, rückläufige Nachfrage und erhöhte Preissensibilität: Die Schweizer Uhrenindustrie befindet sich aktuell in einer komplexen Situation. Der Druck auf die Branche hat sich durch die seit August geltenden amerikanischen Zölle von 39 Prozent auf Schweizer Uhren weiter verstärkt. 2024 erreichte der Exportwert in die USA 4,4 Milliarden Franken, was den ersten Platz unter den Exportmärkten für Schweizer Zeitmesser bedeutet. Das Land steht damit für fast 17 Prozent der weltweiten Exporte von Schweizer Uhren.
Der traditionelle Handel dominiert
Während viele Branchen gezielt auf die Digitalisierung ihrer Verkaufskanäle setzen, bleibt der traditionelle Einzelhandel für die Uhrenindustrie essenziell. Dies zeigt die Studie zur Schweizer Uhrenindustrie 2025 des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte. Über 60 Prozent der Befragten gaben an, ihre Uhren im Geschäft zu kaufen, wobei Multibrand-Geschäfte (38 Prozent) beliebter sind als Monobrand-Boutiquen (23 Prozent). Die älteren Generationen (46 Prozent) schätzen das breite Sortiment in Multibrand-Geschäften deutlich mehr als die jüngeren Generationen (27 Prozent). Das Einkaufserlebnis vor Ort ist dabei entscheidend: Als Hauptgrund nennen 51 Prozent der Befragten die Möglichkeit, Uhren anzuprobieren, während 44 Prozent die Beratung und den menschlichen Kontakt schätzen.
Die Marken setzen auf eigene Boutiquen
Während die befragten Kund:innen die grössere Vielfalt in Multibrand-Geschäften bevorzugen, setzen die Häuser verstärkt auf eigene Monobrand-Boutiquen, die ausschliesslich ihre Marke und ihre Produkte präsentieren. Von den befragten Führungskräften gaben 41 Prozent an, in den nächsten zwölf Monaten eine neue Monobrand-Boutique zu eröffnen, was eine Diskrepanz zwischen den Kundenpräferenzen und den Markenstrategien offenbart.
Diese Neuausrichtung hat den Druck auf unabhängige Multibrand-Händler erhöht, die einen eingeschränkten Zugang zu den wichtigsten Markenportfolios haben und deren Position im Markt geschwächt wird. Die Übernahme von Bucherer (einem der weltweit grössten Multibrand-Häuser) durch eine bekannte Uhrenmarke illustriert einen Trend, der sowohl in der Schweiz als auch im Ausland zu beobachten ist. Die kürzlich erfolgte Schliessung der Flagship-Boutique Les Ambassadeurs in Genf ist ein markantes Zeichen dieses tiefgreifenden Wandels.
Der Secondhand-Markt zieht junge Generationen an
Die jungen Generationen tragen zwar weniger traditionelle Uhren, ihre Kaufabsichten bleiben jedoch auf einem guten Niveau (53 Prozent). Ihre Kaufabsichten für Smartwatches erreichen fast das gleiche Niveau (54 Prozent). Die junge Generation treibt zudem einen neuen Wachstumsbereich an: den Markt für Gebrauchtuhren. Unter den Mitgliedern der Generation Z möchten 40 Prozent in den nächsten zwölf Monaten eine Secondhand-Uhr kaufen – doppelt so viele wie bei den Babyboomern (20 Prozent).
Der Secondhand-Markt hat sich über alle Altersklassen hinweg zu einem wichtigen Segment entwickelt. Die Kundschaft schätzt dabei die erschwinglichen Preise (53 Prozent) sowie den Zugang zu einzigartigen oder nicht mehr verfügbaren Modellen (36 Prozent). Händler sehen darin ein attraktives Geschäftsfeld, das zunehmend in den eigenen Online-Verkauf sowie in die physischen Geschäfte integriert wird. Der Sekundärmarkt entwickelt sich mehr und mehr zu einem wichtigen Einstiegspunkt für neue Kundschaft und ergänzt damit den Primärmarkt.